Cabinet Music

Text: Hanspeter Spörri

Der Komponist und Musiker Steff Signer, dessen Biografie im Mai 2024 im Appenzeller Verlag erschienen ist und der mittlerweile im 74. Altersjahr steht, hat ein neues Projekt in Angriff genommen: eine kollaborative Arbeit, die mit Hilfe des Internets Länder-, Sprach-, Sparten- und Genregrenzen überwindet und Kunstschaffende zusammenführt, die sich zum Teil noch nie persönlich begegnet sind.

Signer nennt die so entstehende Sammlung von oft zusammenhängenden musikalischen Miniaturen und Videos Cabinet Music –, inspiriert von den kleinformatigen Portraitbildern, mit denen seit dem 16. Jahrhundert Kabinette oder Wunderkammern ausgeschmückt wurden.

Seine Kompositionen kontrastieren mit Fotografien und poetischen Rezitationen. Die Zusammenarbeit schafft Nähe und ermöglicht einen künstlerischen Dialog, der laut Signer bewusst in Kontrast steht zur gegenwärtigen globalen und politischen Zerrissenheit.

Mit ihm auf den Weg gemacht haben sich Mario Baronchelli (Fotografie) Güttingen, CH; Florian Vetsch (Lyrik) St. Gallen, CH; Markus Breuss (Trompete, Flügelhorn, Kornett) Nerja, SPANIEN; Chanan Hanspal (Gitarre) Cambridge, ENGLAND; Jaswant Hanspal (Rezitation) London, ENGLAND; Xoel Hanspal (Rezitation) Cambridge, ENGLAND; Elizaveta Fedorova (Rezitation, Singing, Inspiration) Ischewsk, Republik Udmurtien, RUSSLAND; Lena Kiepenheuer (Sopran) Zürich, CH; Craig Twister Steward (Harmonica) Wichita, Kansas, USA.

Einige dieser Personen waren entweder in der einen oder anderen Form an der Entstehung der 400-seitigen Biografie beteiligt oder sind mit Steff Signer wegen der Biografie in Kontakt gekommen. Als Aftermath bezeichnet Signer das Projekt auch, als Nachwirkung der Biografie – und als Anspielung auf einen LP-Titel der Rolling Stones.

Ein wichtiger Inspirator des Projekts ist der dänische Maler Vilhelm Hammershøi (1864-1916) mit seinen melancholischen Interieurs, Portraits, Landschafts- und Architekturdarstellungen. Mario Baronchelli lässt diese Stimmungen und Melancholie immer wieder in seine Motivgestaltung einfliessen, verbindet sie mit seiner eigenen Intuition. Er fotografiert analog in Schwarz-Weiss mit AGFA-Filmen, die seit 1980 abgelaufen sind und so eine verzaubernde Stimmung entstehen lassen.

Zahlreiche Kompositionen basieren auf einer gleichen 12-Ton-Reihe und auf einem Akkord, in dem alle 12 Töne der Oktave enthalten sind, der in seiner Sicht ebenso ein Endzeit- oder ein Geburtsakkord sein kann.

Einige der Kammermusikkompositionen oder musikalischen Miniaturen auf der Basis von Klavier, Klarinette (und der Sopranstimme von Lena Kiepenheuer) ergänzt Signer immer wieder mit der elektrischen Gitarre von Chanan Hanspal. Er nutzt die ganze Vielfältigkeit, die das Instrument zu bieten hat: von der strengen Notation im klassischen Satz bis hin zur jazzigen Improvisation. Ein Novum, das bisher in dieser Art von Musik kaum anzutreffen war.

Der eigenwillige und kreative Trompeter Markus Breuss, ein Ex-St. Galler, variiert die Cabinet Music zu Beginn und nicht nur am Schluss mit Trompete, Flügelhorn und Kornett. er improvisiert akustisch oder elektrisch mit Wah-Wah und Verzerrer auf dem Endzeitakkord und bringt so nochmals einen weiteren Akzent in die Cabinet Music.
Es entsteht aber auch Musik aus Signer’s archaischer Werkstatt. Nur grad mit verschiedenen Moniphonium (Hohner Melodica) Spuren und gesungenen Phrasen, die er frei improvisierend auf dem Programm Audacity aufnimmt und zusammenstellt.

Daraus generiert er Variationen für Klavier und Klarinette oder Arrangements, die Markus Breuss wiederum, wie vorher schon erwähnt, mit Trompete, Kornett, Flügelhorn, tibetischen Cymbals, Extended Improvisations komplettiert oder Chanan Hanspal mit der elektrischen Gitarre ergänzende Improvisationen setzt.

Das Projekt ist noch in Arbeit.

Cabinet Music I–III